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History | Ergreifende Erinnerungen

„Die marxistischen Arbeiter verstehen keine andere Sprache …“

Leopold Ungar (1912–1992) trat 1935 ins Wiener Priesterseminar ein. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft musste Ungar Österreich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 verlassen und ging erst nach Frankreich und später nach Großbritannien. Er kehrte 1947 nach Österreich zurück, wo er sich alsbald in der Caritas der Erzdiözese Wien engagierte, die er 1950–1988 leitete. Ungar schildert die Spannungen, die zwischen der Arbeiterbewegung und der katholischen Kirche in der Zwischenkriegszeit herrschten.

Der Konflikt zwischen katholischer Kirche und Sozialdemokratie geht auf Herausbildung der modernen Gesellschaftsordnung seit der Französischen Revolution von 1789 zurück. In allen europäischen Ländern kam es zu einem Zurückdrängen des Einflusses der katholischen Kirche, die in der Folge alle modernen Entwicklungen wie Liberalismus, Demokratie und auch Sozialismus als „Irrtümer“ verdammte. In Österreich kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Herausbildung einer prononciert katholischen Christlichsozialen Partei, die immer mehr auf die Unterstützung der katholischen Kirche rechnen konnte. Die Sozialdemokratie sah in dieser Unterstützung eine Vermengung von Religion und Politik, die sie ablehnte, die katholische Kirche in der Sozialdemokratie eine Bedrohung der Kirche. Die Christlichsoziale Partei benutzte die Tatsache, dass sich Juden in der Sozialdemokratie engagierten, um sie als „Juden-Partei“ darzustellen, die „das Christentum“ zerstören wollte. Dieser christliche Antisemitismus blieb eine Grundkonstante der politischen Propaganda des christlichsozialen Milieus bis zum Ende der Ersten Republik. Die immer stärker werdende Identifizierung zwischen katholischer Religion und der Christlichsozialen Partei führte zu einer immer stärker werdenden Ablehnung der Kirche durch viele Sozialdemokraten.

Sendung: Österreich I & Österreich II