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History | Ergreifende Erinnerungen

Kindheit am „Spiegelgrund“

Alois Kaufmann (geb. 1934) wurde von seiner alleinerziehenden Mutter in eine Pflegefamilie gegeben. Als er begann, gegen Autoritäten wie seine Pflegemutter, aber auch die Schule und das NS-Regime zu rebellieren, kam er 1943 im Alter von acht Jahren in die Wiener NS-„Jugendfürsorgeanstalt“ „Am Spiegelgrund“ am Steinhof. Kaufmann schildert in diesem Beitrag die als „Disziplinierungsmaßnahmen“ eingesetzten physischen und psychischen Quälereien, denen er dort tagtäglich ebenso ausgesetzt war, wie der Bedrohung, vom NS-Arzt Heinrich Gross für dessen grausame pseudowissenschaftliche Menschenversuche ausgewählt zu werden. Gross war Stationsleiter der „Reichsausschuß-Abteilung“ an der Wiener „Euthanasie“-Klinik Am Spiegelgrund, wo er behinderte Kinder für Forschungszwecke missbrauchte und an ihrer Ermordung beteiligt war. Rund 800 Kinder und Jugendliche fielen „Am Spiegelgrund“ dem nationalsozialistischen Euthanasieprogramm zum Opfer, das die „Ausmerzung unwerten Lebens“ zum Ziel hatte: Die Kranken und Schwachen sollten aus „rassehygienischen“ Gründen aus der nationalsozialistischen Gesellschaft entfernt werden.

1950 war Gross für seine „Am Spiegelgrund“ verübten Verbrechen zwar zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, das Urteil wurde aber später wieder aufgehoben. Er konnte sogar in der SPÖ Karriere machen. Ein anderes Opfer von ihm, Friedrich Zawrel, wollte Gerechtigkeit und kämpfte ohne juristische Unterstützung unermüdlich gegen die österreichische Justiz, die bestrebt war, den „Fall Gross“ zu vertuschen. Mit Erfolg: 1997 wurde Gross erneut angeklagt. Zu einer Verhandlung kam es jedoch nicht mehr. Heinrich Gross starb im Jahr 2005.

Sendung: Der Report – 3sat, Folge 144: Fall Gross
Gestaltung: Christoph Feurstein und Robert Altenburger